Mittwoch, 24. Oktober 2012

Vegane Berufe: Fotografin

Ein Thema, über das ein Veganer während seiner Recherchen über kurz oder lang stolpert, ist die Fotografie. Schnell lernen wir, dass das klassische Fotopapier der Papierabzüge leider Gelatine enthält. Doch was ist, wenn das Fotografieren eine Leidenschaft ist, die sich ein vegan lebender Mensch zum Beruf machen möchte? Lässt sich das überhaupt miteinander vereinbaren? Um dem nachzuspüren, habe ich Marie - Studentin an der Folkwang Universität der Künste in Essen - mit ein paar Fragen gelöchert.

Hallo Marie, erzähle doch bitte kurz etwas über Dich und Dein Studium! Seit wann studierst Du und was machst Du dort genau?

Hallo Andrea, ich bin 23 Jahre alt und wohne zur Zeit in Dortmund. Schon immer hat die Kunst in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt. Sobald ich einen Stift in die Hand bekommen habe, fing ich an zu zeichnen, und das nicht immer unbedingt auf Papier, zur großen Freude meiner Eltern. Mit 11 fing ich an Saxophon zu spielen. Mein Vater spielte früher in einer kleinen Jazzband und hatte mich somit dazu gebracht. Nach Abschluss der mittleren Reife machte ich eine dreijährige Ausbildung zur Gestaltungstechnischen Assistentin, in welcher ich dann den Weg in die Fotografie fand. Ich merkte schnell, dass sie das Medium ist, welches meine Gedanken, Ideen und Vorstellungen am besten zum Ausdruck bringt. Seit Oktober 2011 studiere ich in Essen an der Folkwang Universität der Künste. Und natürlich Fotografie. Das Schöne dort ist, dass man im ersten Semester nicht nur die Grundlagen der Fotografie kennenlernt, sondern eben auch die des Kommunikationsdesigns und Industrial Design. Man könnte dann sogar den Studiengang wechseln. Und auch jetzt habe ich die Möglichkeit, Kurse wie Aktzeichnen oder experimentelle Gestaltung zu belegen, bei Letzteren ist es mir komplett freigestellt, wie ich mein Thema bearbeiten möchte, egal mit welchem Medium (Malerei, Fotografie, Film oder mit Installationen etc.)
Was an der Folkwang im Studiengang Fotografie auch sehr wichtig ist, ist das analoge Arbeiten. Im ersten Semester sogar ausschließlich. Es ist unglaublich interessant, die Ursprünge der Fotografie kennenzulernen. In der Dunkelkammer zu arbeiten und die Bilder, die man gemacht hat, erst zu sehen, wenn man den Film eigenhändig entwickelt hat. Man bekommt einfach ein ganz neues Bewusstsein für ein einzelnes Bild.  

Was sind die typischen Reaktionen, wenn Du jemandem erzählst, dass Du Fotografie studierst?

Die Reaktionen sind durchweg positiv, die Leute sind sehr interessiert, haben aber meist eine falsche Vorstellung von dem Beruf. Viele denken, dass ich später zu Kindergärten und Grundschulen fahre, um die beliebten Klassenportraits zu fotografieren. Oder dass ich Bewerbungsfotos mache. Die Möglichkeiten - je nachdem, wie man sein Studium auslegt - können aber sehr verschieden sein. Denn nicht alle Studenten arbeiten nach dem Studium als Fotograf weiter. Zum Beispiel in Bildredaktionen, in Museen als Kuratoren, an Universitäten als Dozenten oder Professoren. Und selbst, wenn man dann als Fotograf arbeitet, wird es wohl kaum bei Bewerbungsfotos bleiben.  

Wie bei allen anderen Studienfächern muss man sich doch sicherlich immer die selben Aussagen oder Fragen anhören, oder?

Ja absolut. Die Frage, die natürlich am meisten gestellt wird, ist: "Und was machst du dann nach dem Studium? Der Markt ist doch schon sehr überlaufen, oder?" Aber noch kläre ich die Leute immer gerne vom Gegenteil auf.

 Seit wann lebst Du vegan?

 Ich lebe nun seit Anfang 2011 vegan und davor ein Jahr als Vegetarier. Ich hatte sehr oft über diesen Schritt nachgedacht, da mir es einfach nicht mehr ausreichte, nur das Fleisch vom Teller zu verbannen. Denn trotzdem litten Tiere weiterhin aufgrund meines Konsumverhaltens.

 Hat Deine Entscheidung, vegan zu leben, Deinen Berufswunsch irgendwie beeinflusst?

Da ich zugeben muss, den Wunsch, ein Fotograf zu werden, schon eher hatte als die Überlegung, mein Leben auf die vegane Lebensweise umzustellen, kamen Bedenken, inwieweit ich den Beruf vegan ausführen kann, erst im Nachhinein. Und natürlich versuche ich, dem so gerecht wie nur möglich zu werden. Da das Studium allerdings vorgibt, viel im analogen Bereich zu arbeiten, ist es mir mal mehr, mal weniger möglich. Allein, weil einem als Student oft die geldlichen Mittel fehlen, um die Problematik zu umgehen. In allen anderen Lebensbereichen achte ich dafür aber auch umso stärker drauf, komplett vegan zu leben.  

Gibt es Schwierigkeiten dabei, den Beruf komplett vegan auszuüben?

Wie in (fast) jedem Beruf auf der Welt gibt es natürlich auch als Fotograf Dinge, in denen man Kompromisse eingehen muss. Die jetzt aber vor allem durch das Studium in Erscheinung getreten sind, da ich eben dort viel mit der analogen Fotografie in Berührung komme. Das Papier, das Filmmaterial und Chemikalien zum Entwickeln der Filme und zum Vergrößern der Fotos. Später im Job werde ich wieder komplett auf die digitale Fotografie umsteigen, alleine schon wegen des Zeitfaktors.  

Im Sommer dieses Jahres hast Du ein Langzeitfotoprojekt mit acht Models ins Leben gerufen. Was hat es damit auf sich?

In diesem Projekt begleite ich acht unterschiedliche Frauen in den verschiedensten Stationen ihres Lebens. Am Abschluss der Schule oder des Studiums stehend, beim Umzug in eine neue Stadt und eines neuen Lebensabschnitts, eine neue Beziehung, sowie in der Zeit des Elternwerdens und -seins. Ich nähere mich ihnen über das Portrait und versuche, von jeder der jungen Frauen einen ehrlichen Einblick in ihre einzigartigen Persönlichkeiten zu gewinnen. Das Besondere ist, dass ich sie für das Projekt nicht ausgewählt habe, sondern sie nach einem Aufruf in einem sozialen Netzwerk (Facebook) ich sie mich auswählen ließ. Einerseits gehört zu den acht meine engste Freundin, andererseits aber auch Frauen, die ich nur flüchtig kenne. Alle haben einen Fragebogen beantwortet, u.a. mit den Fragen: “Warum willst du teilnehmen?“, „Wie stellst Du Dir den Ablauf des Projekts vor und was erhoffst Du Dir von dem Projekt?“ oder „Wie sieht deine momentane Lebenssituation aus?“
Durch dieses Projekt möchte ich mich der Fotografie als ein Werkzeug der Konservierung von Wirklichkeit und Realität und besonders der Zeit bemächtigen. Um nicht nur die persönliche Weiterentwicklung der acht Frauen und der ihres Umfeldes einzufangen, sondern auch meine fotografische Entwicklung untersuchen zu können, habe ich den Entschluss gefasst, dieses Projekt zu verwirklichen. Dem Projekt ist kein Ablaufdatum gesetzt, sondern soll weit in die Zukunft reichen. Um einen ehrlichen Einblick in das Leben einer jungen oder auch längst erwachsenen Frau in der heutigen Zeit zu erfahren.  

Soweit ich weiß, sind alle oder fast alle der Models Veganerinnen. Ist das Zufall oder gewollt?

 Das war nicht gewollt. Da mein Bekanntenkreis allerdings mehr aus Veganern besteht, war das wohl eine fast unumgängliche Konsequenz.  

Hast Du Tipps und Tricks für vegane Hobbyfotografen?

Um eine größere Sicherheit zu haben, sollte man am besten digital fotografieren. Da insgesamt weniger analog fotografiert wird, gibt es hinsichtlich der Inhaltsstoffe der Produkte kaum Veränderungen. In der Uni benutzen wir FOMA-Fotopapier, bei diesem kann man sich zumindest sicher sein, dass keine Gelatine für die Herstellung benutzt wird. Für analoge Schwarz/weiß-Fotografien kann ich die Kodak-Filme Tmax (100-3200) empfehlen. Damit erzielt man sehr gute Ergebnisse.  

Wo findet man denn Beispiele Deiner fotografischen Arbeiten im Netz?

Einmal auf meiner Facebook-Seite "Marie Desens Photographie" und unter http://marie-desens-fotografie.jimdo.com  

Marie, vielen Dank für das Interview!

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